Flavius Josephus: Über das hohe Alter des jüdischen Volkes

Eine Dokumentation, vom 17./21. Januar 2010


Gegen Apion (Auszug)

22. ...Ausserdem bezeugt er (Hekataios), dass wir die Kriegszüge Alexanders und später die seiner Nachfolger mitgemacht haben. Ich will nur das anführen, was er von der That eines an dem Feldzuge beteiligten Juden berichtet und wovon er seiner Angabe gemäss selbst Augenzeuge war, nämlich folgendes: "Als ich ans Rote Meer reiste, befand sich in der jüdischen Reiterabteilung, die uns geleitete, auch ein mutiger und starker Mann mit Namen Mosollam (Meschullam), der bei Griechen wie Barbaren allgemein als der beste Bogenschütz anerkannt war. Als nun die ganze Schar auf der Strasse beisammen marschierte und ein Wahrsager, der den Flug der Vögel beobachten wollte, alles stillstehen hiess, fragte der Jude, weshalb man denn warte. Der Wahrsager machte ihn nun auf einen bestimmten Vogel aufmerksam und erklärte ihm, wenn dieser sitzen bleibe, wo er sich jetzt befinde, sei es auch für sie ratsam, an Ort und Stelle zu verweilen; wenn er sich aber erhebe und vor- oder rückwärts fliege, müssten sie dementsprechend weiterziehen oder umkehren.

Ohne ein Wort zu sagen, spannte der Jude den Bogen und schoss den Vogel tot. Hierüber wurden der Wahrsager und einige andere unwillig, und als sie ihn deshalb verwünschten, entgegnete er: "Was seid ihr doch für verrückte Menschen, dass ihr euch mit diesem Unglücksvogel einlasst! Wie hätte er, der nicht einmal voraussah, was seiner eigenen Rettung diente, uns einen vernünftigen Rat inbetreff unseres Marsches geben können? Denn wäre er imstande gewesen, die Zukunft vorher zu wissen, so hätte er sich wohl nicht an diesen Ort begeben, aus Furcht, der Jude Mosollam könnte ihn mit einem Pfeilschuss töten!" Doch genug von dem Zeugnis des Hekataios; wer Lust hat, kann ja das nähere leicht aus dem Buche selbst erfahren. ... Im Anschluss an diesen Bericht (über Stratonike) spottet nun Agatharchides über das abergläubische Gebaren der Stratonike, wobei er dann auch auf uns zu sprechen kommt, und zwar folgendermassen: "Die sogenannten Juden bewohnen eine überaus stark befestigte Stadt, welche die Eingeborenen Jerusalem nennen. Sie haben die Gewohnheit, sich am siebenten Tage der Arbeit zu enthalten und während desselben weder Waffen zu tragen noch den Acker zu bauen noch irgend einer anderen Beschäftigung obzuliegen; vielmehr beten sie mit ausgebreiteten Händen im Tempel bis zum Abend. Einst zog Ptolemaeus Lagi an einem solchen Tage mit Heeresmacht in die Stadt ein, und da die Bewohner an ihrer unsinnigen Gewohnheit festhielten, anstatt ihre Vaterstadt zu beschützen, bekam diese einen harten Gebieter. Es war somit der Beweis geliefert, dass das Gesetz einen ganz verderblichen Brauch eingeführt hatte. Auch zogen alle, nur nicht die Juden, aus diesem Ereignis die Lehre, dass man solchen Träumereien nicht nachhängen dürfe und den hergebrachten Wahn von einem religiösen Gesetz aufgeben müsse, sobald vernünftige Überlegung in bedrängter Lage keinen Ausweg mehr sieht." (Die Juden haben in 2293 Jahren diesbezüglich einiges gelernt). Die Treue gegen das Gesetz kommt also dem Agatharchides lächerlich vor; prüft man aber ohne Vorurteil, so wird man eine bedeutsame und durchaus lobenswerte Erscheinung darin finden, dass es Leute giebt, welche die Beobachtung der Gesetze und die Frömmigkeit gegen Gott allzeit höher achten wie ihre eigene und des Vaterlandes Rettung. (Seite 122 - 125)

25. Den Anfang mit Schmähungen gegen uns machten die Aegyptier, und um sich ihr Wohlgefallen zu erwerben, haben auch sonst manche sich damit abgegeben, die Wahrheit zu verdrehen, indem sie weder die als geschichtliche Thatsache feststehende Einwanderung unserer Vorfahren nach Aegypten zugeben, noch ihren Auszug wahrheitsgemäß darstellen. Gründe, uns zu hassen und zu beneiden, hatten ja die Aegyptier genug, vor allem den, dass unsere Vorfahren in Aegypten das herrschende Element waren und, als sie nach dem Auszug von dort die Reise in ihr Heimatland machten, abermals der Gunst des Glückes sich erfreuten. Arge Feindschaft erregte ferner bei ihnen der religiöse Gegensatz; denn der Unterschied unserer Gottesverehrung von der dort vorgeschriebenen ist ebenso gross wie der Abstand zwischen der Natur Gottes und der der unvernünftigen Tiere. Herrscht doch bei ihnen der allgemeine Glaube, die letzteren seien Götter, so sehr sie auch in der Art, sie zu verehren, voneinander abweichen mögen. Fürwahr, das sind gedankenlose und ganz unverständige Leute, die sich seit uralter Zeit an schlechte Vorstellungen über die Götter gewöhnt haben. Unsere ehrwürdige Lehre von Gott anzunehmen, dazu konnten sie sich nicht aufraffen, und als sie sahen, wie zahlreich die Anhänger unseres Glaubens wurden, da regte sich ihr Neid. Einige von ihnen gingen in ihrer geistigen Beschränktheit und in ihrem Unverstand so weit, dass sie sich nichts daraus machten, ihren eigenen alten Urkunden zu widersprechen; ja, von ihrer Leidenschaft verblendet, merkten sie es nicht einmal, wenn sie in ihren Schriften mit sich selbst in Widerspruch gerieten. (Seite 126 f.)

34. Endlich will ich noch den Lysimachos anführen, der nicht nur auf demselben Boden der Lüge steht wie die Genannten (Chairemon und Manetho), sondern ihre Unglaubwürdigkeit mit seinen Erdichtungen sogar noch überbietet. Deshalb kann es keinem Zweifel unterliegen, dass ihm lediglich der Hass die Feder führte. Er sagt nämlich, unter dem aegyptischen König Bokchoris sei das mit Aussatz, Krätze und anderen Krankheiten behaftete Volk der Juden in die Tempel geflohen und habe hier um Speise gebettelt. Immer weiter habe die Krankheit sich ausgebreitet, und dazu sei auch noch das Land unfruchtbar geworden. Der König Bokchoris habe nun zu Ammon geschickt (Das Orakel von Ammon war das bedeutendste in Aegypten.), um einen Orakelspruch inbetreff der Unfruchtbarkeit zu erhalten, und es sei ihm von dem Gotte der Bescheid erteilt worden, er solle die Heiligtümer von den unreinen und gottlosen Menschen säubern, diese aus den Tempeln in die Wüste jagen, die Krätzigen und Aussätzigen aber, über deren Dasein die Sonne (der Sonnengott der Ägypter) zürne, ertränken und die Tempel durch Sühnopfer heiligen; dann werde die Fruchtbarkeit des Landes sich wieder einstellen. Nach Empfang dieses Spruches habe Bokchoris die Priester und Altardiener berufen und ihnen befohlen, die Unreinen auszusondern und sie durch Soldaten in die Wüste abzuführen, die Aussätzigen und Krätzigen ertränkt und die übrigen samt und sonders in Einöden versetzt, damit sie hier zu Grunde gingen. Sie aber hätten sich zusammengeschart und nach gepflogener Beratung in der ersten Nacht bei brennendem Feuer und Lampenlicht gewacht, um sich zu schützen, in der nächstfolgenden aber durch Fasten die Götter zu versöhnen gesucht und um Rettung zu ihnen gefleht. Tags darauf habe dann ein gewisser Moyses ihnen geraten, unverzagt und geradewegs vorwärts zu dringen, bis sie bewohnte Gegenden erreichten, und ihnen ausdrücklich anbefohlen, keinem Menschen eine wohlwollende Gesinnung zu beweisen, niemand den besten, sondern jedem den schlechtesten Rat zu geben und die Tempel und Altäre der Götter, wo sie solche anträfen, zu zerstören. Die anderen hätten ihm Beifall gezollt, ihren Entschluss ins Werk gesetzt, die Wüste durchzogen und seien nach vielen Mühseligkeiten endlich in bewohnte Gegenden gekommen. Unter steter Misshandlung von Menschen, Plünderung und Einäscherung von Tempeln hätten sie dann das jetzt Judaea genannte Land erreicht, eine Stadt gegründet und daselbst sich niedergelassen. Von dem Gebaren der Gründer sei diese Stadt Hierosyla (= griechisch Tempelraub) genannt worden; später aber, als sie zu grösserer Macht gelangten, hätten sie den Namen, um der damit verbundenen Schmähung zu entgehen, geändert und die Stadt Hierosolyma, sich selbst also Hierosolymer genannt. (Seite 140 f.)

17./21. Januar 2010

Flavius Josephus. Kleinere Schriften. Übersetzt und mit Einleitung und
Anmerkungen versehen von Dr. Heinrich Clementz, Fourier Verlag, 
Wiesbaden, 2. Aufl. 1995

Flavius Josephus: Der Jüdische Krieg und Kleinere Schriften,
Marix Verlag, 2008

Flavius Josephus: Über die Ursprünglichkeit des Judentums. Contra Apionem, 
herausgegeben von Folker Siegert. Vandenhoeck&Ruprecht, Göttingen 2008

Apion (20/30 v.d.Z. - 45/48 d.Z.). By Kaufmann Kohler. JewishEncyclopedia.com

Josephus Flavius (37 - 100). Jewish Virtual Library

Josef Ben Matithjahu - Josefus Flavius: Der tragische Chronist des 9. Aw.